Viel Aufregung um den Reeser Platz – Sondersitzung

Bericht aus der BV 1

Das Kriegerdenkmal für die sogenannten 39iger Füsiliere auf dem Reeser Platz stammt aus dem Jahre 1939, seine nationalsozialistische Herkunft ist unübersehbar. Es wurde seinerzeit anstelle des Denkmals „Innere Festigung“ (1928) von Jupp Rübsam aufgestellt, ein Denkmal am der heutigen Tonhalle, von dem nur noch zwei Steine übrig sind. Im März 1933 demontierten die Nationalsozialisten es, da es ihnen nicht heroisch genug und zu wenig deutsch war. Inzwischen kann man es mit Hilfe einer App am ursprünglichen Stand als 3D Rekonstruktion auf seinem mobilen Telefon erleben.

Um dem unter Denkmalschutz stehenden Kriegerdenkmal etwas entgegenzusetzen, beantragte Frank Werkmeister von der Linken in der BV 1 im April 2014 ein Gegendenkmal. Lange Vorbereitungen und Anträge waren notwendig um diesen Auftrag der Kunstkommission zu übergegeben. Diese initiierte gemeinsam mit der BV 1 einen Werkstatttag mit Fachleuten, Politiker*innen und Bürger*innen und schrieb schließlich den internationalen zweistufigen Wettbewerb aus. In der ersten Runde waren 67 Beiträge von der Jury zu beurteilen, davon schafften es acht in die nächste und letzte Runde. Dazu musste eine Ausarbeitung der Ideenskizze und ein Modell eingereicht werden.

Die abschließende Sitzung der Jury im Wettbewerb um die künstlerische Kommentierung des Kriegsdenkmals auf dem Reeser Platz fand am 20.05.2020 statt. Damit diese Bewertung von der BV 1 noch vor der Ratssitzung am 18. Juni 2020 zur Kenntnis genommen und so das Gremium, das den Prozess angestoßen hatte, auch darauf reagieren konnte, wurde der Termin der Sondersitzung vereinbart. Der Kulturausschuss würde am 4. Juni tagen und könnte sich auch zu den Ergebnissen verhalten. Die Modelle der teilnehmenden Künstler*innen sollten im Stadtmuseum ausgestellt werden.

Durch die derzeitigen Sitzungsbedingungen war es nicht möglich, die Jurysitzung im Stadtmuseum stattfinden zu lassen und fand in den Räumen des Museums Kunstpalast statt. Anschließend sollten die Modelle und Plakate umziehen. Das verzögerte sich ebenso wie die Vorlage zur Sitzung, die erst am Mittwochmorgen vom Kulturdezernenten vorlag. Um noch einen Antrag zu formulieren war das recht knapp. Erst recht, um ihn noch mit den anderen Fraktionen abzustimmen. Die CDU war nicht davon überzeugt, dass die Sitzung in Coronazeiten stattfinden müsse, sie sehe keine Dringlichkeit und drohte mit Boykott, wie wir aus der Zeitung erfuhren. Die FDP war über die Jahre hinweg ebenso wenig wie die CDU überhaupt von der Notwendigkeit einer Veränderung auf dem Reeser Platz überzeugt. So blieb es sehr spannend, ob wir einen ersten Schritt in die Realisierung dieses Projektes nach sechs Jahren würden gehen können.

Die Vorlage der Verwaltung sah nur eine Kenntnisnahme des Ergebnisses vor. Wir wollten mehr und baten in unserem Antrag, gemeinsam mit der SPD und dem Vertreter der Linken, dass der Kulturausschuss und der Rat die Verwaltung beauftragt, zusammen mit den Künstlern des ersten Preises (Titel: Those who have crossed) weiter zu planen und die notwendigen Schritte zur Umsetzung herbeizuführen. Ergänzend wollten wir noch die Barrierefreiheit sicherstellen und eine Platte oder Tafel initiieren, die an die Opfer der nationalsozialistischen Wehrmachtjustiz erinnert. Eine Opfergruppe, der selten gedacht wird. Herrn Fleermann hatte diesen Gedanken schon bei dem ersten Ortstermin vor Jahren geäußert und brachte ihn am Mittwoch vor der Sitzung in einem Rundgang für die Fraktionsvorsitzenden erneut vor.

Wir konnten uns das vorstellen, inzwischen wissen wir, dass sich die Künstler des ersten Preises dies auch gut vorstellen können. Leider waren die Fraktionssprecher der CDU, der FDP und der Linken am Mittwochmorgen verhindert, so dass es spannend blieb, was sie von den Ausführungen hielten. Herr Fleermann konnte der Umsetzung des zweiten Preises (Titel: Der neue Reeser Platz) nicht folgen und teilte damit viele Stimmen der Politik in der Jury. Im Gegensatz zu den Künstler*innen in der Jury. Die Künstlerin sieht vor, das gesamte Denkmal unter einen Erdhügel verschwinden zu lassen um damit eine Diskussion anzuregen.

Der erste Preis wurde angemessen vergeben, das benannten im Rundgang vor der Sitzung (mit Maske und Abstand natürlich) auch die Vertreter*innen der CDU und der FDP. Auch die anderen Platzierungen wurden dabei gewürdigt. Jörg-Thomas Alvermann, als Leiter des Wettbewerbs, führte uns durch die Modelle und erwiderte unseren Dank an ihn für die zwei Jahre, die dieser Prozess umfasste, mit einem Dank an uns, dass wir so vertrauensvoll mit diesem anspruchsvollen Projekt die Kunstkommission beauftragten.

Während der Diskussion im Anschluss stellten alle Fraktionen übereinstimmend fest, dass der erste Platz gelungen sei. Rafael Lorberg, Fraktionssprecher der SPD, sagte, dass wir zu unserem Erbe in der Stadt stehen müssen und damit verantwortungsvoll umgehen wollen. Herr Rehne, Fraktionssprecher der FDP, stellte seine Befürchtungen zu diesem Wettbewerb dar: „Wenn man einen röhrenden Hirsch an der Wand hängen hat, hebt sich die Wirkung nicht auf, wenn man ein zeitgemäßes anspruchsvolles Kunstwerk daneben hängt, so wie bei einer mathematischen Formel.“ Doch die Verfasser des ersten Preises seien in diese Falle nicht getappt, meinte er, die Ausführung haben ihn überzeugt.

Und dann stand unser Antrag zur Abstimmung, die CDU enthielt sich, die anderen Fraktionen stimmten zu, damit war er einstimmig angenommen. Einen Ausgang, den ich nicht zu hoffen gewagt hätte! Selten habe ich mich über ein Abstimmungsergebnis so gefreut. Jetzt kann es weitergehen, können wir über diese Umgestaltung weiter ins Gespräch kommen und damit vor allem über das Denkmal, seine Zeit und seine Wirkung im Diskurs bleiben.

Vom 2. Juni 2020 wird die Ausstellung hinter dem Ibachsaal im Stadtmuseum für 14 Tage für die Öffentlichkeit zu besichtigen sein, dazu ist der Eintritt frei.