Themendossier Nacht #DUSnach8

Management Urbane Nachtkultur & Nachtökonomie

Update: 06.07.2022

Wir haben in unserer Stadt eine lebendige Ausgehkultur und eine innovative Kreativ- und Kulturszene und Nachtökonomie, die längst relevante Wirtschafts- sowie Standortfaktoren für Düsseldorf sind. Freizeit- und konsumbezogene Nacht- und Clubkultur ist selbstverständlich wichtig für Urbanität, sie benötigt Anerkennung als sinnlicher und sozialer Teil der Kultur einer weltoffenen Stadt, statt nur auf die Probleme – wie Lärm, Verschmutzung, Genehmigungen, Gewalt oder Gefahren – zu schauen.

Wir beschäftigen uns hier im ‚Themendossier‘  mit vielen Links und Informationen dem Stadtplanungs-,  Wirtschafts- und Kulturthema ‚Nacht‘.

Denn: In der Stadtverwaltung liegt der Fokus vermehrt auf dem ‚Tag‘ – es fehlt bisher an Ansprechpartner*innen und an einem konzeptionellen Management für die Akteur*innen oder für die Unternehmen.
Betreiber*innen befinden sich zudem oftmals im bürokratischen Spannungsfeld zwischen Ordnungsrecht und den Gewerbe-,  Gesundheits- und Bauaufsichtsämtern.

GRÜNE Düsseldorf haben für die ‚Nachtkultur- und Nachtökonomie‘ – die ehedem besonders schwer durch die Corona-Pandemie betroffen ist – das Agendasetting übernommen und dies zuletzt auch in die Kooperation mit der CDU hineinverhandelt. Unser aktueller Ratsantrag aus Februar 2021, der zudem 100.000 Euro Haushaltsmittel für eine Pilotstudie vorsieht hier. 

Aktueller Blick zur Bundesregierung: Baunutzungsverordnung soll Musikclubs baurechtlich Kulturorten gleichstellen

Im letzten Jahr gründeten Abgeordnete von GRÜNEN, LINKE, FDP, SPD und CDU/CSU das Parlamentarische Forum Clubkultur & Nachtleben” im Bundestag, um fraktionsübergreifend dem Thema mehr Rückhalt und Sichtbarkeit zu geben. Zu den wichtigsten Zielen des Bündnisses gehört es, die Situation von Clubs zu verbessern und in einem ersten Schritt die baurechtliche Anerkennung von Musikclubs als Kulturorte zu erwirken. Denn: Musikclubs sind bisher in ihrer Einordnung als Vergnügungsstätte baurechtlich mit Wettbüros und Bordellen gleich Das soll sich nun bald ändern: Mit einem aktuellen Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert Musikclubs und Livespielstätten baurechtlich als Anlagen für kulturelle Zwecke anzuerkennen und flexible und innovative Lösungen im Lärmschutz umzusetzen. Mehr hier beim Verband der Livemusik-Kommission (07.05.2021).

Bundesweite Clubstudie Initiative Musik

Die bundesweite Online-Umfrage zur Situation der Livemusikspielstätten (bis 2.000 Besucher*innen) ist vom 28. 09- – 31.10.2020 durchgeführt worden – mitten in der Corona-Pandemie. Die Teilnahmebereitschaft unter den Betreiber*innen und der Support der Verbände war beträchtlich, aussagekräftigen Daten über die Lage der Musikspielstätten in Deutschland sind nunmehr vorhanden und ist Ende Mai 2021 in Gänze veröffentlicht worden. Diese bundesweite Clubstudie wird erstmals einen Überblick zur Situation der Musikspielstätten geben und die erarbeiteten Handlungs-empfehlungen könnten aufzeigen, wie die Clubs in Zukunft noch besser zu erhalten und zu unterstützen sind. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Szene bildeten einen besonderen Schwerpunkt der Umfrage. Auszüge der Ergebnisse der Studie sowie eine Präsentation während der c/o pop confernence cologne, April 2021 mit dem wissenschaftlichen Projektleiter Heiko Rühl hier. 

Herausforderungen der Urbanisierung: Nutzungsdruck

Denn heute stehen nahezu alle großen Städte inmitten neuer Herausforderungen der Urbanisierung: Düsseldorf wächst in Zukunft weiter und damit nimmt auch der Nutzungsdruck auf die nur begrenzt verfügbaren Flächen vor allem in urban geprägten Lagen mit Entwicklungspotenzial zu.

Es sollte daher Aufgabe der integrierten Stadtentwicklung sein, kreative Räume und Orte des Ausgehens zu sichern und neue Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen. Denn diesen Szenen droht ansonsten schleichende Verdrängung durch Investoren, Abriss oder Kündigungen, wie beispielsweise die Schließungen der Kulturvereine und Veranstaltungslocations Brause und damenundherren„.

Diese Aspekte von Kulturräumen sind immer wieder auf der politischen Agenda, ob anhand des Planungsgebietes „Südlich Auf’m Tetelberg“ (mit der Datscha und dem Kulturlabor) – ebenfalls in Bilk – oder auch mit der Online-Petition der Kultkneipe für die Düsseldorfer Musikszene „Fortuna Eck“ in Flingern, die vor zwei Jahren vor der Schließung durch einen neuen Investor stand, aber durch ein großes Engagement von Zivilgesellschaft und Politik gerettet werden konnte. Zumindest mittelfristig.

Stadtentwicklungspolitik gegen Verdrängung von kreativen Szenen und Clubs

Im Mai 2018 haben wir das 1. Grüne Düsseldorfer Fachgespräch #DUSnach8 als Listening Session für die Akteur*innen der Nacht veranstaltet und konnten einen Ausblick auf die Lage in Düsseldorf werfen und auf neue kommunale Lösungsansätze. Die Rheinische Post hat eine Nachlese (14.06.2018) veröffentlicht. Im Anschluss haben wir dann vor mehr als einem Jahr in 2018 im Stadtrat – sogar mit breiter überparteilicher Mehrheit – den Antrag von GRÜNE, SPD und FDP „Integration von Kreativräumen und kulturellen Raumbedarfen in die Stadtplanung“ beschlossen und mit 100.000 Euro ausgestattet für zwei Jahre.

Zentraler Bestandteil ist zunächst eine Erfassung des Bestandes (Kultur-Mapping) und der jeweiligen Entwicklungsperspektiven sowie Handlungsempfehlungen und Instrumente zusammen mit externen Expert*innen in diesem Forschungsgebiet, mit denen die Stadt die Zukunft der Kreativszene in Düsseldorf gestalten kann.

Heute ist der politische Auftrag der Studie immer noch nicht umgesetzt.

Time flies – Grüne bleiben dran

Im Interview mit dem Kulturredakteur Thomas Frank erklärt Fraktionssprecher Norbert Czerwinski in der Westdeutschen Zeitung die Hintergründe „Wie steht es eigentlich um die urbane Nachtkultur in Düsseldorf? (Paywall-Link) oder hier als PDF (WZ 04.11.2019).

Mit unserer Ratsanfrage für den 28.11.2019 zum Sachstand wollen wir jetzt endlich wissen, warum die Umsetzung des politischen Auftrags des Rates bisher nicht begonnen wurde.

In der Zwischenzeit, bei der wir immer noch auf ein Verwaltungshandeln warten, haben andere Kommunen in diesem modernen und notwendigen Stadtplanungsthema Fortschritte erzielt. Eine große Studie der Clubcommission Berlin wurde im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und in Zusammenarbeit mit der Berliner Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia durchgeführt (2019).

Ebenfalls in Berlin findet Ende November 2021 zum nunmehr vierten Mal die Konferenz „NIGHTS – Stadt nach Acht“ statt.

Im Oktober 2019 wurde bereits Mannheims erste Internationale Nachtkultur-Konferenz NØK veranstaltet; von der städtischen Start-Up-Gesellschaft. Die Rhein-Neckar Zeitung titelt zu Recht Städte, die niemals schlafen – Nachtkultur zunehmend Thema (21.10.2019).


Nacht- und Clubkultur ist selbstverständlich wichtig für Urbanität, ist zudem Wirtschaftsfaktor, sie macht nicht nur Probleme, sondern benötigt Anerkennung als Teil der Kultur einer Stadt. Zum einen ist es noch ein weiter Weg hin einem konzeptionellen Management der sogenannten Nachtökonomie innerhalb der Düsseldorfer Stadtverwaltung – für alle gleichermaßen. Zum anderen hörten wir mehrfach deutliche Kritik an Ämtern hinsichtlich Genehmigungen, intransparenten Verfahren und Vergaben, die teils zu unternehmerischem Schaden und Wettbewerbsverzerrung führen.

„night-time economy“ – Was geht international im In- & Ausland?

Zahlreiche Städte konnten bereits einen Perspektivwechsel schaffen und haben die urbane Nacht wissenschaftlich betrachtet und mit neuen, konzeptionellen Schnittstellen in der Verwaltung verankert: beispielsweise aktuelle in München mit der neuen Fachstelle MoNa, das steht für „Moderation der Nacht“ (Link SZ, 10.06.2021). Hier soll ein Netzwerk mit den Akteuren der Nachtkultur entstehen und Lösungen suchen für die Probleme, die das nächtliche Feiern mit sich bringt. Außerdem soll er einen Runden Tisch zum Nachtleben koordinieren.

In London mit einer Night CzarDen Haag hat neben einem Nachtburgermeester einen Nachtraad, Bochum untersuchte den »Wirtschafts- und Standortfaktor Bermuda3Eck« in einem Gutachten – dies führte zu einer Imageverbesserung.

Guide zum Management der Stadt 

Der international arbeitende Verband Sound Diplomacy hat aktuell 2018 einen GUIDE TO MANAGING YOUR NIGHT TIME ECONOMY herausgebracht (Englisch) mit weiteren internationalen Beispielen sowie Handlungsempfehlungen für Städte.

#MusicTourismDuesseldorf

Hierbei steht auch die Erhebung von Daten zur Nacht sowie die Sichtbarmachung des Urbanen Lifestyles und der Szene. Dazu zählen natürlich wichtige Bands sowie Musikstandorte, Clubs und Ausgehviertel. Ein erster Schritt in diese Richtung ist im Sommer 2018 durch den Start des Projektes Sound of Urbanana #MusicTourismDuesseldorf bereits gemacht (ein EU-Projekt des NRW Tourismusverbandes in Zusammenarbeit mit der Düsseldorf Tourismus).

Mit ihren seid 2019 durchgeführten Stadtführungen „The Sound of Düsseldorf„ mit dem #TSOD – in Koop mit Michael Wenzel und Sven-André Dreyer, zwei lokalen Musik-Journalisten, die das Standardwerk „Keine Atempause herausgegeben haben – macht die Düsseldorf Tourismus jetzt auf die Botschafter*innen und deren internationale Bedeutung der ikonische Musikorte und ihren Songs – inklusive einer passenden Spotify-Plalist – aufmerksam.

Zuletzt sorgte die digitale Ausstellung „The Sound of Düsseldorf“ – in Kooperation mit Google Arts & Culture – in der sechs musikhistorische Geschichten aus der Stadt am Rhein erzählt werden, für internationes Aufsehen. Düsseldorf war immer ein Treffpunkt der Avantgarde.

Ausblick auf kommunale Lösungsansätze

Clubkultur bietet große Perspektiven zur kommunalen Weiterentwicklung. Denkbar sind beispielsweise: verlässliche, niedrigschwellige Ansprechpartner*innen in Verwaltung für die Protagonist*innen der Nacht (Stichwort Night Mayor (Mannheim)), Mediationstelle bei Problemen der Nacht (wie AKIM in München), Netzwerk schaffen aller Clubs, Konzertveranstalter, Kulturvereinen (siehe KLUBKOMM oder LiveKomm), Studie der Nachtökonomie zur Verbesserung der Wahrnehmung und Wertschätzung (siehe Köln & Bochum in Zusammenarbeit mit den jeweiligen IHKen), Integration in die Stadtentwicklung und ion der Tourismus durch Clubkataster wie in Köln, oder der neuen Map of Music Spaces in London, faire und transparente Vergabe von Räumen zur nächtlichen Kulturnutzung / Zwischennutzung.

Weitere Themen sind: Mediteranisierung, Verbände, Lärm, Müll, Ausgehverhalten Jugendliche, Heimweg (ÖPNV), Beschwerdemanagement und Bürokratie(-abbau) sowie das Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohl und Einzelinteressen.

stadtnachacht.de

Die Transferstelle Stadt und Nachtleben – stadtnachacht beschäftigt sich als think & do tank, blog und Online-Quellensammlung mit raumrelevanten Fragestellungen im Themenkomplex Stadt und Nachtleben bereits seit 2011. Mit besonderem Fokus auf die urbane Nachtökonomie (night-time economy ), deren zeiträumlichen Nutzungsstrukturen sowie deren Einfluss auf den Stadtraum. Primäre disziplinäre Zugänge sind die Stadt- und Regionalplanung, Stadtgeographie sowie der Städtebau unter Einbezug relevanter Erkenntnisse aus anderen Professionen und Wissenschaftsdisziplinen wie Wirtschafts-, Rechts- und Kulturwissenschaften und Ethnologie. Unsere unbedingte Leseempfehlung.