Rede zum Haushalt 2023 von Norbert Czerwinski

Krisen bewältigen: sozial und zukunftsfähig handeln

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Anwesende,

vor zwei Jahren habe ich meine Haushaltsrede auch hier im Plenarsaal gehalten, allerdings pandemiebedingt vor leeren Rängen. Es wurde als Video aufgezeichnet. Das war unheimlich. Es fehlte die Atmosphäre des Diskurses mit Beifall, Geraune und Zwischenrufen. Das gehört zur parlamentarischen Demokratie doch dazu, das wir nicht in einer Blase uns selbst erzählen, was wir für wichtig und richtig erachten.

Von daher bin ich froh, dass wir wieder in einer normalen Atmosphäre die Haushaltsdebatte führen können.

Aber ist es wirklich normal? Es gibt kein Normal mehr, auch absehbar wird die Zeit nicht wieder wie zuvor sein. Das mag man beklagen, aber wir in der Politik sind aufgefordert, uns der Herausforderung zu stellen und Antworten zu geben. Antworten, von denen wir zuvor nicht gedacht haben, dass wir sie erwägen müssten.

2019 haben wir in Düsseldorf den Klimanotstand ausgerufen und versprochen, wir wollen – nein wir müssen – klimaneutral werden. Das sind wir uns und vor allem der nächsten Generation schuldig.

Erstmals hatten wir das Gefühl, wenn wir das vergeigen, ist die Welt im A – Abgang.

Dann kam 2020 die Pandemie mit gesundheitlichen Folgen und gesellschaftlichen Restriktionen in unvorstellbaren Dimensionen. Und doch hatten wir das Gefühl, wenn wir uns jetzt ein paar Wochen oder Monate zusammennehmen, geht es wieder einfach weiter. Wir haben uns getäuscht.

Wir haben uns auf allen Ebenen – auch in Düsseldorf – bemüht, die Folgen abzumildern. Es gab Rettungsschirme und Hilfsangebote.

Und wir wissen heute noch besser als 2020, dass die Pandemie einige besonders trifft. Ich erinnere nur an die Kinder und Jugendlichen, gerade aus prekären Verhältnissen, die der Lockdown stark getroffen hat. Es hat Bildungsungerechtigkeit verschärft und psychosoziale Folgen für sie, die noch lange Unterstützung nötig machen.

Der Februar 2022 schließlich hat mit dem brutalen Krieg Russlands auf die Ukraine eine weitere Zeitenwende gebracht. Was noch kurz zuvor als völlig unrealistisch abgetan wurde, ist Wirklichkeit: Russland greift seinen Nachbarn mit Raketen und Panzern an und nennt es Befreiung. Es bekämpft die Demokratie und nennt es Kampf gegen Nazismus. Wir haben in Düsseldorf Zeichen gesetzt: Die zivilgesellschaftlichen Demonstrationen zur Solidarität mit der Ukraine waren eindrucksvoll. Wir haben als Stadt eine Partnerschaft mit Czernowitz geschlossen und konnten dabei auf langjährige Kontakte gerade der jüdischen Gemeinde setzen. Auf einmal wurde uns bewusst, wie eng schon die Bande zwischen uns und Czernowitz sind, ich erinnere nur an Rose Ausländer. Und vor wenigen Tagen hat Juri Andruchowytsch den Heine-Preis der Landeshauptstadt verliehen bekommen. Es war eine beeindruckende Veranstaltung mit einer beeindruckenden Laudatio von Jaroslav Rudis.

Und letzte Woche wieder ein Ereignis, was uns fassungslos machte. Die Razzia gegen die Patriotische Union. Kopfschüttelnd und besorgt haben wir den Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 verfolgt. Aber dass es ernstzunehmende Bestrebungen zum Umsturz in Deutschland mit einem Sturm auf den Bundestag gibt, haben wir nicht für möglich gehalten. Und nun erleben wir den größten Polizeieinsatz gegen Terrorgefahr seit 1945.

Wir sind in allem erschüttert: in unserem Glauben an die sichere Demokratie, in unserem Glauben an Frieden in Europa, in unserem Glauben an einen Diskurs, der sich von Argumenten leiten lässt.

Und doch – oder besser: jetzt erst recht, wollen und müssen wir zeigen, dass die Demokratie das Beste ist, wenn es darum geht, Lösungen zu finden. Dass es sich lohnt, sie zu verteidigen. Genauso wie soziales Miteinander und Verantwortung.

Denn eines haben die Krisen auch gezeigt: Es gibt eine Neubewertung. Es wird zur Mehrheitsmeinung, dass die Krankenhäuser weniger nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt werden, dass Pflegeberufe eine andere gesellschaftliche Relevanz bekommen, dass Kinderbetreuung und Bildung kein  „Gedöns“ sind, wie Kanzler Schröder meinte.

Und das neue Zauberwort ist Resilienz. Wie müssen unsere Strukturen sein, damit sie auch in Krisen funktionieren? Der Gesundheitsbereich, die Bildung, der Verkehr, die Messen. Alles.

Darauf müssen wir Antworten finden und Wege. Es ist hart für GRÜNE auf dem Weg zur Klimaneutralität die Verlängerung der AKW-Laufzeiten mitzutragen oder einen Vertrag mit Katar zum Gas zu machen. Das ist nötig und tut weh. Wichtig ist aber, dass wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Deshalb ist es richtig, jetzt erst recht in Erneuerbare zu investieren, damit wir auch schnell unabhängig werden von fossilen Energieträgern und ihren oft despotischen Verkäufern.

Mit dem Haushalt 2023 setzt Düsseldorf ein Zeichen, dass wir an den Zielen der Klimaneutralität und der Verkehrswende festhalten und auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen notwendige Investitionen nicht aufgeben oder aufschieben. Es bleibt bei 60 Millionen für den Klimaschutz und 5 Millionen für die Klimaanpassung und wir werden beim Radverkehr weiter ehrgeizig bleiben, genauso wie beim Schulbauprogramm. Auch die IHK hat in ihrer Stellungnahme bestätigt: Investitionen in Schulbau und Verkehrswende dürfen nicht stoppen!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Anwesende,

Das alles tun wir angesichts einer ausgesprochen schwierigen finanziellen Lage: Die Belastungen bei Rheinbahn, Flughafen und Bädern haben das bislang stabile System der städtischen Holding aus dem Gleichgewicht gebracht. Der frühere Ausgleich zwischen den Erträgen von Stadtwerken, Flughafen und Messe einerseits und den Verlusten von Rheinbahn und Bädern andererseits ist gekippt und kommt auch in der mittelfristigen Planung absehbar nicht wieder zurück. Die Holding wird dauerhaft zuschussbedürftig aus dem Kernhaushalt. Die Ausgleichsrücklage wird daher absehbar in 2024 aufgezehrt sein. Die folgenden städtischen Haushalte werden genehmigungspflichtig. Wir arbeiten daran, dass sie auch genehmigungsfähig sind.

Wichtig ist der Blick auf das Gesamtbild: die Stadt – die Verwaltung und der Rat – haben in der aktuellen Situation keine Chance, die Ausgleichsrücklage zu erhalten und kurzfristig zu strukturell ausgeglichenen Haushalten zurückzukehren.

Wir müssen unser Handeln den Krisen anpassen, wir können uns aber nicht aus der Krise sparen. Wir können nicht hunderte Millionen Euro aus dem Haushalt schneiden, ohne Verwerfungen in der Stadt zu verursachen. Wir müssen alles tun, um soziale Schieflagen zu vermeiden und um die Stärke der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer nicht zu gefährden.

Deshalb setzen wir als Kooperation mit dem Haushalt auch wieder ein Zeichen des sozialen Miteinanders. Der Ausbau der Schulsozialarbeit geht weiter und wir starten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung im Jugendamt. Wir stützen die Beratungsstrukturen, gerade auch wegen gewachsener Aufgaben, beispielhaft sei nur die Frauenberatungsstelle oder Stay genannt. Wir werden auch die Welcome-Points ausreichend ausstatten und weiterentwickeln.

An dieser Stelle ein ausdrückliches Dankeschön an all die Ehrenamtlichen, die sich in unterschiedlicher Weise für das Gemeinwohl engagieren. Sei es als Verkehrskadetten, wir haben vor wenigen Tagen den 50. Jahrestag der Einführung begangen, oder eben in der Arbeit mit Geflüchteten. Egal ob sie vor den russischen Raketen aus Cherson oder Aleppo geflohen sind oder aus dem Jemen, Irak, Äthiopien. Ich bin froh und berührt, wie stark die Zivilgesellschaft in Düsseldorf Weltoffenheit, Empathie und Solidarität zeigt.

Ein weiterer großer Dank gebührt der Bürgerstiftung und den Stadtwerken, die gemeinsam mit der Stadt einen weiteren Härtefallfonds auflegt haben für Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen, die aufgrund der stark gestiegenen Stromkosten in einer schwierigen finanziellen Situation sind. Gerade für Haushalte, die keine Sozialleistungen aus den Regelsystemen beziehen, ist dies eine wichtige kommunale Ergänzung zu den Entlastungspaketen und Preisbremsen der Bundesregierung.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Anwesende,

Wir, die Verwaltung unter Oberbürgermeister Keller und die Koop-Fraktionen von CDU und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN legen einen Haushalt vor, der dem sozialen Zusammenhalt und der sozialen Verantwortung gerecht wird, der wirtschaftspolitisch die richtigen Maßstäbe setzt und sich der Nachhaltigkeit verpflichtet.

Ich danke dem Oberbürgermeister für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie klappt in der Regel gut und unaufgeregt – zum Ärger der Opposition. Aber natürlich sind wir nicht immer einer Meinung. Deshalb muss ich jetzt auch ein paar Punkte zum Haushaltsentwurf und zu Ihrer Einbringungsrede vor drei Monaten anmerken – es ist schließlich die erste Gelegenheit der Kommentierung.

  • Kultur ist nicht nur Oper und auch das Opernhaus muss mehr sein,
  • Altstadt ist nicht nur Sicherheit: wir brauchen mittel- und langfristig mehr Maßnahmen und eine integrierte Strategie,
  • Der konkrete Sparvorschlag in der Einbringungsrede stelle das Cradle2Cradle- Prinzip in Frage – das ist aber über die Lebenszykluskosten betrachtet gerade sparsam und 100%ige Zukunftsfähigkeit -ökologisch wie finanziell
  • Und bei einigen Kürzungen, die die Verwaltung bei Projekten im Gesundheitsschutz und im Sozialen vorgeschlagen hatte, konnten wir nur mit dem Kopf schütteln.

Aber dazu haben wir in den vergangenen Wochen gerungen und bringen es an vielen Stellen heute mit Kompromissen zu einem guten Ende.

Ein Dank auch an unseren Kooperationspartner für die Zusammenarbeit im vergangen Jahr. Das war ja keine Liebesheirat 2020. Das haben auch weder CDU noch GRÜNE behauptet. Es gibt auch immer wieder ein Knirschen, gerade in den Themen der Transformation und insbesondere bei der Mobilitätswende. Aber wir sind überzeugt, dass Verantwortungsbewusstsein auch bedeutet, sich nicht wegzuducken. Wir müssen die notwendigen Entscheidungen für die Klimaneutralität 2025, für den sozialen Zusammenhalt, für ein zukunftsfestes und noch lebenswerteres Düsseldorf jetzt treffen. Und was uns als Kooperation auszeichnet ist, dass wir dabei nach gemeinsamen Lösungen suchen.

Ich danke auch den demokratischen Fraktionen im Rat für die konstruktive Arbeit hier und in den Ausschüssen. Die meisten Vorlagen erhalten ja eine breite Mehrheit im Rat und manchmal ergeben sich auch interfraktionelle Initiativen.

Bei den Haushaltsanträgen der Opposition allerdings sehen wir einerseits die Anträge für mehr und noch mehr und hören gleichzeitig die Klagen zur finanziellen Lage. Das geht nicht zusammen. Wir tragen die Verantwortung für den Gesamt-Haushalt und mit Blick auf ihre Anträge in den Ausschüssen und heute im Rat: ich bin froh, dass wir sie tragen und nicht sie.

Natürlich gebührt auch der Verwaltung Dank und Respekt. Krisen machen auch Stärken sichtbar. In den genannten Krisen und Herausforderungen hat die Düsseldorfer Stadtverwaltung gezeigt, zu was sie in der Lage ist. Zusätzlich, zum normalen Geschäft

  • hat das Gesundheitsamt bald drei Jahre Pandemiebekämpfung gestemmt,
  • hat das Amt für Migration und Integration mal eben in wenigen Monaten über 8.000 Aufenthaltstitel für Menschen ausgestellt, die aus der Ukraine nach Düsseldorf geflüchtet sind,
  • hat die Finanzverwaltung mal eben in wenigen Wochen die Hilfsmittel nach dem Unwetter Bernd bearbeitet und ausgezahlt,
  • arbeiten der Krisenstab und alle städtischen Ämter seit Monaten unter Hochtouren an Energiesparmaßnahmen und Hilfen.

Mein und unser Dank daher an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung, für ihren Einsatz. Stellvertretend nehmen bitte die Beigeordneten diesen Dank entgegen.

Und last but not least: Ich danke unserer Fraktionsgeschäftsstelle. Wir ehrenamtlichen Ratsleute wären aufgeschmissen ohne die Arbeit unserer Geschäftsstellen, nicht nur aber ganz besonders bei den Haushaltsberatungen. Ein dickes Dankeschön!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Anwesende,

Pandemie, Krieg und Energiekrise haben auch im städtischen Haushalt tiefe Spuren hinterlassen und werden sich auch in den kommenden Jahren auswirken. Mit dem Haushaltsentwurf der Verwaltung und den Anträgen der Kooperation reagieren wir auf die Krisen, ohne unsere Ziele aus dem Blick zu verlieren. Es ist der richtige Haushalt für den Weg zur Klimaneutralität, für den sozialen Zusammenhalt und für ein zukunftsfestes und lebenswertes Düsseldorf.

Es gilt das gesprochene Wort.

Die komplette Tagesordnung und die Unterlagen zu der Haushaltssitzung am 15.12.2022 sind im Internetangebot der Landeshauptstadt Düsseldorf veröffentlicht unter: www.duesseldorf.de