Verzicht auf Strafverfolgung wegen der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein

15. Juni 2023

An
Herrn Oberbürgermeister Dr. Keller
Vorsitzender des Rates

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Fraktionen von Die PARTEI-Klima, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und FDP bitten Sie, den folgenden Antrag auf die Tagesordnung der Sitzung des Stadtrates am 15.06.2023 zu setzen und abstimmen zu lassen.

Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf beschließt Folgendes:

  1. Die Stadt als alleinige Gesellschafterin der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH (bzw. die entsprechenden Vertreter*innen der Stadt) wird (werden) aufgefordert, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH durch die Geschäftsführung zu verlangen (§ 50 GmbHG), die den Beschluss fassen soll, die Geschäftsführung der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH auf Grundlage von § 37 Abs. 1 GmbHG anzuweisen, den Vorstand der Rheinbahn AG auf der Rechtsgrundlage des Beherrschungsvertrages zwischen der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH und der Rheinbahn AG vom 17.Mai 2017 anzuweisen:
    – Die Rheinbahn AG stellt ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge nach § 265a wegen Beförderungserschleichung.
  2. Die Vertreter*innen der Stadt in der Gesellschafterversammlung der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH werden sodann angewiesen, die notwendigen Beschlüsse zu fassen, um die Geschäftsführung der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH auf Grundlage von § 37 Abs. 1 GmbHG anzuweisen, dass diese wiederum den Vorstand der Rheinbahn AG auf der Rechtsgrundlage des Beherrschungsvertrages zwischen der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH und der Rheinbahn AG vom 17.Mai 2017 anweist:
    – Die Rheinbahn AG stellt ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge nach § 265a wegen Beförderungserschleichung.

Begründung
Die Ampelkoalition in Berlin hat eine Überarbeitung des Straftatbestandes der Leistungserschleichung, § 265a StGB, für das kommende Jahr in Aussicht gestellt. Eine der diskutierten Optionen ist die Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit. Damit könnten Bußgelder verhängt werden, die in der Regel deutlich geringer als Strafzahlungen ausfallen und auch von finanziell schlechter gestellten Menschen leichter aufzubringen wären.

Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf am 17. November 2022 die Vorlage RAT/430/2022 mit Mehrheit beschlossen. Darin wird der Aufsichtsrat der Rheinbahn AG aufgefordert, sich gegenüber der Geschäftsführung dafür einzusetzen, dass die Rheinbahn auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrschein verzichtet.

In dem Blog VierNull war am 23. Mai dieses Jahres Folgendes zu lesen:
„(…) Seit dieser Entscheidung des Stadtrats hat die Rheinbahn dennoch 230 Strafanträge gestellt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Hartnigk erklärte darauf angesprochen, der Aufsichtsrat mische sich nicht ins operative Geschäft ein. Solche Entscheidungen treffe der Vorstand, der sich mit den Strafanträgen im Rahmen geltenden Rechts bewege, sagte er. Hartnigks Fraktion, die CDU, hatte damals ebenso wie die AfD gegen den Antrag gestimmt. Der Rheinbahn-Vorstand wiederum erklärte auf Nachfrage, zu dem Thema sei damit alles gesagt. Das ist in doppelter Hinsicht bitter: Für den Stadtrat, dem die Unternehmensspitze zu verstehen gab, was sie von dort getroffenen Entscheidungen hält. Und für die Rheinbahn selbst, die ein gutes Zeichen hätte setzen können. Sie hätte zum Beispiel Strafanträge aussetzen können, solange in Berlin beraten wird, den damit verbundenen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und aus der Straftat eine Ordnungswidrigkeit zu machen.“

Richtig ist, dass der Vorstand der Rheinbahn AG für die Umsetzung der Forderung des Beschlusses des Rates zuständig ist und dass für die Rheinbahn AG das Aktienrecht bzw. der sog. Vorrang des Gesellschaftsrechts gilt.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Antrag notwendig, um den Inhalt des Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Rates vom 17. November 2022 umzusetzen.

Zur Frage, ob das Fahren ohne gültigen Fahrschein überhaupt betraft werden soll, äußerte sich Prof. Dr. Thomas Fischer, Rechtsanwalt in München und Rechtswissenschaftler und von 2013 bis 2017 Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof, in der Legal Tribune Online am 23. Mai 2022 wie folgt:
„(…) Schwarzfahren sollte nicht weiter bestraft werden. Es ist in der Substanz nur das Nichtzahlen einer Schuld. Das reicht für keine der anderen Varianten des § 265a StGB. Die geschädigten Unternehmen können sich zivilrechtlich wirksam wehren. Das Unrecht des bloßen Schwarzfahrens ohne Zugangserschleichung rechtfertigt weder eine Verfolgung als Straftat noch eine solche als Ordnungswidrigkeit. Wenn das die Rechtsprechung nicht einsieht, muss der Gesetzgeber es ihr ins Strafgesetzbuch schreiben. (…)“

Beim Wegfall der Strafbarkeit des Fahrens ohne gültigen Fahrschein in einem Fahrzeug des öffentlichen Personenverkehrs bleiben grundsätzlich alle zivilrechtlichen Ansprüche eines geschädigten Unternehmens bestehen. Das gilt auch, wenn wie hier gefordert, der Vorstand der Rheinbahn die Anweisung der Geschäftsführung der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH umsetzt. Es entsteht demnach auch in der Folge kein unmittelbarer Schaden für das Unternehmen.

Auf die Einberufung eine Gesellschafterversammlung kann verzichtet werden, wenn die obigen Weisungen unter Verzicht auf Form und Frist durch die Stadt gegenüber den Geschäftsführen der Stadt erteilt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Lukas Fix                                                           Dominique Mirus
Angela Hebeler                                                 Norbert Czerwinski
Dr. Sabrina Proschmann                                    Markus Raub
Anja Vorspel                                                      Sigrid Lehmann
Manfred Neuenhaus