Industriedenkmäler und klimafreundliche Weiternutzung von Gebäudebestand auf dem Röhrenwerkgelände

29. März 2023

An die Bezirksbürgermeisterin des Stadtbezirks 6
Frau Birgit Schentek

Anfrage:

Die Verwaltung wird gebeten, die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Welche Gebäude und Gebäudeteile auf dem Gelände des Rather Röhrenwerkes stehen unter Denkmalschutz bzw. für welche Gebäude kommt ein Denkmalschutz als Industriedenkmal infrage?
  2. Wie wirkt die Verwaltung darauf hin, dass Bestandsgebäude im Sinne einer Weiternutzung grauer Energie aus Klimaschutzgründen in neue industrielle Nutzungskonzepte für das Gelände integriert werden?
  3. Wie wirkt die Verwaltung darauf hin, dass beim Abbruch anfallende Abfälle, soweit möglich, einer neuen Nutzung zugeführt werden? (vgl. Projekt unseres Klimapartners Toulouse)

Begründung:

Am 17. Mai 2022 beschloss der Stahlkonzern Vallourec die Schließung des Röhrenwerkes in Rath bis Ende 2023. Unmittelbar daran sollen im Jahr 2024 Rückbauarbeiten stattfinden. Die Schließung ist ein herber Schlag für die 1650 Beschäftigten.

Das Röhrenwerk prägt den Stadtteil Rath seit 1899 und war zentral für seine Entwicklung. Ursprünglich gehörte es zu den Mannesmann-Röhrenwerken. Es ist ein wichtiger Teil Düsseldorfer Industriegeschichte, die den Wandel von einer verschlafenen Provinzstadt zu einer pulsierenden Metropole markiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Bedeutung des Werkes für den Denkmalschutz und die Industriekultur. Was bleibt nach der Schließung des Werks und den Abrissarbeiten bestehen und zeugt von den Spuren der Industrialisierung? Für viele Rather*innen ist die Anlage überdies Teil der eigenen und familiären Geschichte.

Ferner nimmt die Um-und Nachnutzung bestehender Gebäude aus Klimaschutzgründen an Bedeutung zu. 11 % der globalen CO2-Emissionen entstehen bei der Baustoffherstellung. Die Weiternutzung bestehender Bausubstanz verringert die für neue Nutzungen notwendige graue Energie durch Vermeidung der Herstellung neuer Bauteile und reduziert gleichzeitig das Abfallaufkommen.

Gez. Florian Ries       Antonia Frey        Ralf Molnar        Lukas Mielczarek

 

Update vom 10.05.2023:

Das Bauaufsichtsamt (Amt 63) beantwortet die Fragen in Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt (Amt 61) und dem Umweltamt (Amt 19) wie folgt:

Antwort auf Frage 1:

Untenstehende Gebäude und Objekte sind seit dem Jahr 2008 in die Denkmalliste der Landeshauptstadt Düsseldorf eingetragen. Der Denkmallisteneintrag des mehrteiligen Baudenkmals läuft unter der Hauptadresse Rather Kreuzweg 106.

  1. Gebäude 101 (A27), Reparaturschmiede aus 1899 (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  2. Gebäude 102 (A24), Walzendreherei aus 1921 (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  3. Gebäude 150 (A7), Arbeiter-Speisesaal und Beamtenkasino aus 1926-1927 (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  4. Gebäude 166 (B17), Elektrische Zentrale und Hydraulik, Presswerk aus 1921 (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  5. Ehrenmal (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  6. Röhrenschlange, 1937 (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 58)
  7. Schwungrad aus Lierenfeld mit Pilgerwalzwerk aus Rath (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  8. Pilgerwalzwerk, 1909 aus Remscheid (Gemarkung: Rath, Flur: 30, Flurstück: 64)
  9. Schrägwalzwerk aus Remscheid bei Tor 5 (Gemarkung: Rath, Flur: 31, Flurstück: 56)

Zur Veranschaulichung ist ergänzend eine Denkmalkartierung des Vermessungs- und Katasteramtes als Anlage beigefügt.

Antwort auf Frage 2:

Das Stadtplanungsamt wirkt bei allen Neunutzungen darauf hin, dass auch über den Denkmalschutz hinaus die Neunutzung von vorhandenem Gebäudebestand geprüft wird, beispielsweise beim qualitätssichernden Verfahren zur Sohnstraße. Allerdings ließ sich bisher nur in Einzelfällen eine Neunutzung erreichen. Bei der Sohnstraße hat es leider keine überzeugende Lösung gegeben.Bei älteren Industriehallen spielt das Thema graue Energie häufig eine untergeordnete Rolle, weil hier oft gar nicht viel Materialsubstanz zum Einsatz gekommen ist, da die Hallen primär als Witterungsschutz für die Industrieanlagen errichtet wurden. Aufgrund der mangelnden Dämmung bei großen Volumen stellt eine Neunutzung auch bei denkmalgeschützten Hallen eine große Herausforderung dar.

Trotzdem ist die Verwaltung optimistisch, dass das Thema „graue Energie“ mit Blick auf die verschiedenen in Diskussion und Umsetzung befindlichen Regelungen zukünftig stärker Berücksichtigung finden wird und wird das weiter unterstützen.

Antwort auf Frage 3:

Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind Abfälle zu vermeiden, bei Eignung zu verwerten und nur zu beseitigen, wenn eine Verwertung nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist.

Ab August 2023 ist die Verwertung von u. a. beim Abbruch anfallenden Abfällen in der Ersatzbaustoffverordnung umfassend geregelt. Eine Erlaubnis zum Einbau von z.B. aufbereitetem Bauschutt ist dann bei Einhaltung der Vorgaben im Normalfall nicht mehr erforderlich. Es liegt auch – insbesondere im wirtschaftlichen – Interesse des Bauherrn, angefallenen Bauschutt / Bodenaushub bei Eignung und Bedarf aufzubereiten und vor Ort wieder zu verwerten (z. B. Tragschicht, Verfüllung). Das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz wird hier sowohl beratend tätig, überwacht die Verwendung aber gleichzeitig auch als zuständige Behörde bzw. wird regelnd tätig. Beispielweise wurden im Rahmen der Neubebauung des Plangebiets Nördlich Westfalenstraße (ehem. PAGUAG, Sack & Kiesselbach) beim Abbruch angefallene Abfälle aufbereitet und wieder eingebaut (ca. 15.000 m³ Bauschutt, über 50.000 m³ Bodenaushub) und nur die Abfälle extern verwertet oder beseitigt, die entweder nicht benötigt wurden oder nicht geeignet waren. Dieses Vorgehen entspricht dem in Toulouse.

Mit der Stadt Toulouse findet im Rahmen des europäischen life green hearts Klima-Projektes ein Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer im Rahmen eines konkreten Abbruchprojektes des alten Messegeländes in Toulouse statt. Hierbei fand über die rechtlichen und fachlichen Aspekte bei der Verwertung von Teilen der anfallenden Abfallarten (Verwertung von ehem. Asphaltflächen der Parkplatzbefestigungen als Wegeflächen in neu geschaffenen Grünanlagen) ein intensiver Austausch statt.

Anlage: