Vorbild Venlo: ein Rathaus macht Lust auf Zukunft

Venlo Rathaus Fassadenbegrünung

Venlo RathausNachhaltig, modern und gesund für die Menschen, die darin arbeiten. Das neue Rathaus („Stadskantoor“) von Venlo macht Lust auf Zukunft und liefert Inspiration für den in Düsseldorf geplanten Neubau. Im Rahmen der GRÜNEN Sommertour 2018 haben wir das Rathaus besucht und dank fachkundiger Führung hinter die Kulissen und die Ideen gucken können.

 

Gesunde Arbeitsplätze

Die Krankmeldungen liegen im neuen Rathaus nur noch bei 4,5% der Arbeitstage. Gegenüber 6% vorher ist das ein Rückgang um ein Viertel!

Venlo Rathaus DachgartenEntscheident ist dafür das gesundes Raumklima. Die Außenluft wird im obersten Stockwerk aufgenommen und erstmal durch das „Gewächshaus“ – die grüne Lunge mit Wandbegrünung und Wasserteich – gezogen. Dann wird die gefilterte Luft durch Rohre in den Böden der Tiefgarage gezogen und so im Sommer abgekühlt bzw. im Winter erwärmt. Die Zirkulation im Gebäude erfolgt fast ausschließlich natürlich: angetrieben durch den „Solar-Kamin“ auf dem Dach und durch das große Treppenhaus im Kern des Gebäudes.

Weitere Bausteine für die Gesundheit: der Teppich aus recycelten Plastikflaschen bindet den Feinstaub aus der Luft. Außerdem wurde bei allen Eintichtungsgegenständen vor der Anschaffung gefragt „was ist drin?“. Materialien, die schädliche Stoffe ausdünsten, konnten so ausgeschlossen werden.

Die Luftqualität wird ständig gemessen und sie ist deutlich besser als in vergleichbaren Bürogebäuden und sogar besser, als draußen in der Stadt. Aber auch die Luft vor dem Rathaus wird besser: Dank der großflächigen Fassadenbegrünung ist die Luftqualität im Umkreis von 500 Metern messbar besser geworden.

 

„Cradle 2 Cradle“

Venlo Rathaus Treppenhaus„Von der Wiege zur Wiege“ bedeutet, dass möglichst alle Materialien wiederverwendet werden können – und das gleichwertig (recycle) oder höherwertig (upcycle). Dafür bleiben die Baustoffe möglichst unbehandelt: der Beton wird nicht verputzt oder angestrichen, das Holz wird inprägniert aber nicht bemalt, die Konstruktion wird verschraubt aber nicht gedübelt oder verklebt.

Gleichzeitig ändert der Ansatz das Zusammenspiel von Herstellern und Nutzern. Die Venloer Planer*innen haben z.B. bei den Möbeln alle Hersteller gefragt, wie viel die Schreibtische, Stühle etc. nach zehn Jahren noch wert sind und zu diesem Wert vom Anbieter zurückgekauft würden. ‚Normal‘ ist es, die Tische und Stühle nach zehn oder 15 Jahren zu entsorgen und dafür auch noch zu bezahlen. Die Stadt Venlo kann sie nach 10 Jahren für 18% des ursprünglichen Wertes zurückgeben oder sie weiter nutzen. Somit haben beide – Käufer und Verkäufer – ein Interesse, die Möbel gut zu pfelgen. In Venlo hat der Hersteller daher direkt gesagt, dass er die Wartung selbst übernimmt. Kostenlos, denn er will am Ende ja gute Qualität zurückkaufen.

 

Innovationen!

Die Planung des Venloer Rathauses nach dem Prinzip von „Cradle 2 Cradle“ („C2C“) löste Innovationen aus. Wenn es für ein Bauteil noch keine passende Lösung gab, haben die Planer*innen den Firmen gesagt „Ok, wir starten den Bau ja erst in zwei Jahren. Überlegt Euch was.“ So gab es zu Begin noch kein C2C-zertifiziertes oder vergleichbares System für die Fassadenbegrünung. Ein Hersteller hat aber rechtzeitig eins eintwickelt.

 

Es rechnet sich

Venlo Rathaus ArbeitsplätzeDer ganzheitlich Ansatz von „Cradle 2 Cradle“ hilft zusätzlich, die Denkweise hinsichtlich der Kosten zu hinterfragen. Auch in Venlo gab es während der Planung eine Kostendiskussion. Es sollte ein Sparliste über gut 3 Millionen Euro abgearbeitet werden. Aber die Planer*innen konnten vorrechnen, dass diese Sparmaßnahmen am Ende sehr teur werden. Denn über die gesamte Nutzungszeit des Gebäudes würden sie zu mindestens 16 Millionen Euro Mehrkosten führen.

Aber wir können – und müssen – die Kosten eines Rathauses noch grundsätzlicher denken. Denn über die 40 oder 50 Jahre, die das Gebäude genutzt wird, sind die Baukosten und die Energiekosten nur ein relativ kleiner Teil der Ausgaben die das Gebäude beeinflusst. Wir müssen die Gehälter und die Produktivität der Mitarbeiter*innen berücksichtigen! Die Gehälter machen 90% der Gesamtkosten aus. Die Baukosten nur ca. 9% und die Energiekosten ca. 1%. Wenn wir es schaffen, dass die Mitarbeiter*innen gesund bleiben und motiviert sind, rechnet sich das. Daher sollten wir bei den Baukosten nicht an der falschen Stelle sparen.

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