Mögliche Unwirksamkeit von Fluchtlinienplänen wegen fehlender Entwässerungsangaben

6. Dezember 2023

An die Bezirksbürgermeisterin des Stadtbezirks 6
Frau Birgit Schentek

Anfrage:

Die Verwaltung wird gebeten, die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Welche Erkenntnisse über die schwebende Unwirksamkeit von Fluchtlinienplänen im Stadtbezirk wegen fehlender Entwässerungsangaben liegen der Verwaltung vor?
  2. Welche Maßnahmen plant das Fachamt, um die mögliche Unwirksamkeit der Fluchtlinienpläne zu verhindern (z.B. Anfügen von Kanalplänen an die Fluchtlinienpläne)?
  3. Gibt es einen konkreten Zeitrahmen für die Überprüfung und Aktualisierung der Fluchtlinienpläne unter Berücksichtigung der notwendigen Entwässerungsangaben?

Begründung:

Unsere Fraktion ist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aufmerksam geworden, in dem festgestellt wurde, dass fehlende Entwässerungsangaben in Fluchtlinienplänen deren Unwirksamkeit zur Folge haben (VG Düsseldorf, Urteil vom 07.06.2023 – 4 K 2150/21). So verlangt § 4 des Preußischen Fluchtliniengesetzes von 1875 (PrFluchtlG), welches die Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Fluchtlinien ist, Angaben bezüglich der “beabsichtigten Entwässerung der betreffenden Straßen und Plätze”. Das Gericht merkt an, dass “Nur ausnahmsweise […] Höhen- und Entwässerungsangaben wegen geringer Bedeutung oder Zweckerreichung entbehrlich sein [können].” Dies scheint bereits im Jahr 1930 gerichtlich festgestellt worden zu sein (PrOVG, Erkenntnis vom 27. März 1930 – IV A 51.28 -, RuPrVerwBl 51, 549). Der § 8 der Vorschriften für die Aufstellung von Fluchtlinien und Bebauungsplänen vom 28. Mai 1876 sieht für Rinnsteine blau durchgezogene Linien und für verdeckte Abwässerung blau gestrichelte Linien vor.

Bei unserer Überprüfung ist uns aufgefallen, dass mehrere Fluchtlinienpläne nicht über die geforderten Entwässerungsangaben verfügen. Dies betrifft unter anderem Nr. 5681/007, 5779/003, 5679/004, 5580/002 und 5481/007, während beispielsweise im Plan Nr. 5482/013 die Bemerkung enthalten ist, dass die Straßen unterirdisch entwässert werden.

Da viele Fluchtlinienpläne das Freilassen von Vorgartenbereichen vorschreiben, hat ihre Bedeutung für die Sicherung innerstädtischen Grüns in den letzten Jahren zugenommen. Wesentliche Anteile des Bezirksgebietes sind nur durch Fluchtlinienpläne aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 beplant, die als einfache Bebauungspläne fortgelten.

Die Verwaltung hat vor Gericht Folgendes ausgeführt:

“Generell habe in den letzten Jahren ein Umdenken hinsichtlich der Flächenversieglung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel stattgefunden. In jüngster Zeit hat es keine Befreiungen von dem hier in Rede stehenden Fluchtlinienplan bezüglich Stellplätzen gegeben. Es solle verhindert werden, dass jegliches Grün aus den Vorgärten verschwinde.”

Damit Vorgärten auch in Zukunft auf der Basis von Fluchtlinienplänen effektiv geschützt werden können, ist eine Klärung des obigen Sachverhaltes unerlässlich. Dieser Schutz ist ein wichtiger Baustein der kommunalen Bemühungen um eine Stadtentwicklung, die die Klimaanpassung und die Artenvielfalt fördert. Sollten Fluchtlinienpläne ihre Wirksamkeit verlieren, muss eine Betrachtung nach § 34 Baugesetzbuch vorgenommen werden (Einfügungsgebot). Dies birgt die Gefahr einer ungeregelten Stadtentwicklung und einer Zunahme von versiegelten Vorgärten

Gez. Florian Ries       Antonia Frey        Ralf Molnar        Lukas Mielczarek

Update vom 06.12.2023:

Das Bauaufsichtsamt (Amt 63) beantwortet die Fragen wie folgt:

Dem Bauaufsichtsamt ist bekannt, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Rechtsauffassung vertritt, dass Fluchtlinienpläne, die keine Darstellung der Entwässerung enthalten, in der Regel unwirksam sein dürften. Das Bauaufsichtsamt hat in der Vergangenheit diese Fluchtlinienpläne angewandt und wird dies auch weiterhin tun, bis das Oberverwaltungsgericht in Münster diese für unwirksam erklärt oder der Rat diese aufhebt. Eine Normenverwerfungskompetenz besteht für die Bauaufsicht nicht.